hr-iNFO Büchercheck: Betongötter von Markku Kivinen

hr-iNFO Büchercheck: Betongötter von Markku Kivinen

16.10.2014

Im Büchercheck heute ein Roman aus Finnland, das in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse war. Das bringt erfahrungsgemäß viele Übersetzungen mit sich und Entdeckungen eines Landes und seiner Literatur. Markku Kivinen zum Beispiel, der finnische Autor, ist Soziologie-Professor in Helsinki. „Betongötter“ ist sein erster Roman. In Finnland wurde er 2009 auf Anhieb zum Bestseller. Jetzt ist „Betongötter“ auf Deutsch erschienen. hr-iNFO Büchercheckerin Tanja Küchle hat ihn gelesen.

Worum geht es?

Finnland in den 60er Jahren: ein Agrar-Land, das eine enorm schnelle Technologisierung erlebt – und einen regelrechten Bau-Boom. In Markku Kivinens Roman geht es konkret
um eine Erscheinung dieses Booms: eine Betonsiedlung, die in der Nähe von Helsinki im Niemandsland entsteht: „Tapiola“. In dieser Siedlung kristallisiert sich all das, was
Finnland zu jener Zeit bewegt. Die Menschen sind kommunistisch, religiös oder gleich desillusioniert. Die Figuren, die sich in dieser Betonsiedlung durchschlagen müssen, sind
vor allem Kinder und Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen.

Wie ist es geschrieben?
Die Form ist experimentell. Der Roman besteht aus vielen kurzen Abschnitten: Tagebucheinträgen und inneren Monologen, die alles sehr unvermittelt und direkt
schildern. Mit den verschiedenen Stimmen wechseln auch die Sprachfarben - von derbe und roh, über belustigend, bis zu religiös, poetisch, reflektiert. Nachdenklich schildert ein
"ich" seinen Alltag in der Betonsiedlung - eine Kindheit zwischen Spiel und Ernst:

„Ich steige die Feuerleiter hinauf bis zum Rand des Daches. Putte ist schon oben, er geht übers Dach, stolpert kurz, richtet sich wieder auf. Von hier oben sieht es sehr seltsam aus.
Ganz breit und flach liegt dort unten der Supermarkt Elanto. Das Verbindungsdach zum Flachbau scheint fast den Boden zu berühren. Nissi behauptet, neulich sei jemand vom
Zentralraum gesprungen. Hat einfach losgelassen und ist runtergeknallt in den Tod. Daran darf man hier nicht denken. Das drückt einem die Luft ab.“

Wir sind nah dran. Allerdings weiß man da nicht unbedingt immer, wo im großen Ganzen man sich gerade befindet. Außerdem ist der Roman mit vielen Verweisen gespickt:
finnische Volksmythen, große finnische Schriftsteller, zentrale Politiker. Wer kein Finnlandkenner ist, benötigt das Glossar im Anhang.

Wie gefällt es?
Mich hat „Betongötter“ ein bisschen an das Finnland des Filmemachers Aki Kaurismäki erinnert: die gesellschaftlichen Außenseiter in seinen Filmen, diese unendliche
Traurigkeit – aber ebenso skurrile Situationen und wunderschöne Bilder. - All das findet sich auch in Markku Kivinens Roman „Betongötter“ - konzentriert und knapp auf 180
Seiten. Mir hat der Roman gut gefallen. Aber die experimentelle Form ist eher was für Mutige. Ziemlich „schräg“ – und damit vielleicht ja auch: „typisch finnisch“.

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gebundenes Buch, 177 S.
Sprache: Deutsch
Secession Verlag für Literatur GmbH
ISBN: 9783905951431